Diese haben wir mitten in der lichten Ausstellungshalle platziert, zwischen lauter Arbeitsameisen, die sich hier am Boden rings um eine Diktatorente tummeln. Nach einer bewegten Einführung von Mario in seine Werke versammelt sich das Publikum im verwunschenen Vorgarten zu einer schillernden „Open Stage“.
Zu Beginn liest Patricia Colchado einen „erfundenen Dialog“, der in einem Raum stattfindet, in dem es „keine Erinnerungen mehr gibt, nur schmerzende Erdichtungen“. Der kurze Auszug aus ihrer Novelle „Der Tanz des Narziss“ macht mit seiner körperhaften Sprache neugierig auf diese Fast-Liebesgeschichte zwischen Micaela, einer politisch handelnden Studentin, und Agostin, dem tanzenden Narziss.
Es muss echt lustig sein, mit Walter Grassl in ein Restaurant zu gehen. Ein kleiner Druckfehler in der Speisekarte, ein Raucherlachs, und schon nimmt er uns mit auf seine skurril verzweigten und hoch vergnüglichen Gedankengänge.
In Herbststimmung versetzt uns Spomenka Krebs mit einer kleinen Herbstmelodie, die sie aus Worten – wie Mahler mit Noten – komponiert hat.
„Uns wird viel zu oft gelehrt, dass es so herum zu laufen hat, und dann kommt jemand, der es anders herum macht, und der findet auch wirklich zum Ziel.“ Pascal Hilgendorf plädiert mit seinem Aphorismus fürs azyklische Handeln – ein gutes Motto für das kreative Publikum.
Kurz und klug: Günter Maria Bregulla trägt eine eigene Fortsetzung von „Was es ist“ von Erich Fried vor, in der nicht die Liebe, sondern die Vernunft spricht. Ich könnte mir von ihm eine ganze Serie von „Was es ist“-Gedichten vorstellen. Später schreibt er Zeilen über den Unterschied zwischen Göttern und Menschen in Wadlhöhe auf die Säule. Also, Bücken lohnt sich!
Johannes Rzepka tanzt, summt und dichtet über einen Mottenflug, so fantasievoll und einfühlsam, dass ich künftig Motten ganz bestimmt nur noch in einem zauberhaften Licht sehen werde.
Poesie muss nicht, darf aber romantisch sein. Brigitte Obermaier liest „Sehnsucht“ vor. Eine junge Frau steht am Strand und schmachtet nach dem Geliebten auf der anderen Seite des Ozeans. Vielleicht ist ja eine solche Sehnsucht einmal der Grund für viele gewesen, mit dem Schreiben von Versen zu beginnen.
Eine Minigeschichtsstunde hält Hans Senninger ab, der an den Krenkl (1780–1860) erinnert, eine der vier Figuren, die meist unbeachtet das Münchner Karlstor zieren. Der Pferdehändler hat den Spruch „Wer ko, der ko" geprägt, als er verbotswidrig den Kini Ludwig überholte.
Gertrud Lübke nimmt uns mit in einen Schrebergarten voller Erinnerungen. Hier schmeckt es stark nach Himbeeren, und kurz drifte ich selber in Kindheitserinnerungen ab.
Sonja Schmid hält einen bewegenden Friedensappell, aktuell und wichtig! Ich bin dankbar, denn ich finde kaum noch Worte, wenn ich die Nachrichten schaue. Und dann pflückt sie eine bereits verblasste Perle von der Litfaßsäule.
Margot Häger hat schon häufig mit ihren eigenen Gedichten geglänzt, doch heute bringt sie eines ihrer 8-jährigen Enkelin Diana mit. Die kleine Poetin hat es selbstverständlich ihrer Oma gewidmet, denn die ist „exakt genial wie ein kleines Lineal“. So süß!
Manchmal finden sich keine passenden Reime, manchmal fügen sie sich partout nicht in die Zeilen. Astrid Sherina Schaper beschreibt in ihrem Gedicht eine „Reimschreibblockade“ und erntet zustimmendes Nicken bei den anwesenden Poeten. Doch ungeachtet dessen ist ihr Gedicht ganz prima gereimt.
Bei so viel Poesie hätten wir‘s fast vergessen: Heute ist Wiesn-Auftakt. Lothar Thiel erinnert daran und bringt mit seiner Stimme die Ausstellungshalle (wir sind draußen!) zum Schwingen:
„heute denk ich nur in litern,
denn mich plagt ein jenseitsdurst:
welt!!! an dem wirst du erzittern.“
©Katharina Schweissguth