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81539 München

Gedicht des Monats

September 24 von Andrea Balnat-Schmude



Im Rahmen des Theater-Spaziergangs „Jedamo" findet an der Ruine des Uhrmacherhäusls in München-Giesing eine Versteigerung statt. Das Publikum bietet mit. Mit Gspusi-Musi.




München schillert

Gedichte aus dem Poesiebriefkasten von 111 PoetInnen; Euro 14,90; Taschenbuch; Erhältlich bei amazon, Smart+Nett oder Ihrem Buchhändler; Infos


Stiangglanda-Poesie im Schlachthofviertel

„A Schdianghaus, woas ois! Wea kimmd und wea gehd, ob friah oda schbed,

aloa oda ned.“ So beginnt Hans’ Stianghaus-Gedicht. Doch das hatte das Stianghaus in der Zenettistr. 2 noch nicht gesehen: Auf Initiative des Kulturraum-München e.V. fand hier eine lebendige Literaturwoche an dieser alltäglichen Durchgangsstation statt.

Am Samstag, den 11. Juni, füllen gut 40 Poesiebegeisterte den Platz unter der Stiege, behütet von den dicken, leicht angestaubten Blättern eines riesigen Gummibaums. Eingesandte Gedichte an den Poesiebriefkasten winden sich dekorativ das Stiangglanda hinauf. Über die Hälfte der Besucher wird eigene Werke vortragen. Das Mezzanin verwandelt sich in eine offenen Poetenbühne. Es schillert treppauf und treppab.

Das Treppenhaus selbst ist Thema vieler Gedichte und Geschichten. Diese Welt, wo wir intim Tür an Tür mit unseren fremden Nachbarn leben, wo Gerüche wabern, Flaggen gehisst, Liebesdramen vor den Augen der neugierigen Nachbarn ausgetragen, Pakete verschoben werden und im Dunkeln geschnackselt wird. Eine Stiege kommt selbst zu Wort. Sogar die ehrwürdige Abstammung der Treppe vom Amphitheater kommt zur Sprache. Ui, Treppenhaus reimt sich auf Laus! Der Reim stammt schließlich vom Echo ab.

Ein frischer Lyrik-Gedanke holt unterhaltsam-unaufhaltsam den nächsten ein. Sigrid will endlich den Kopf freikriegen von Zahlen, Daten und Fakten. Michaela bedichtet den nahen Flaucher, ein Stück vom Paradies. Diana fragt den Saum am Weg: „Wo gehst du hin?"

Ein Glück, dass das Sauwetter die Poeten nicht am Kommen gehindert hat. Im Gegenteil - das langweilige Wetterthema ist ein hochwirksames Ideenenzym. Bezaubernd, das romantische Frühlingsgedicht von Markus; zum Ablachen, Peters, im näselnden Juristenjargon vorgetrages, Plädoyer für besseres Wetter; dazwischen baut Bertram rapschnell Vers für Vers eine staubtrockene Kargheit auf. Geet ernennt aus dem Stegreif seinen Regenschirm zum rhytmischen Requisit und Partner seiner ungeprobten Darbietung.

Es schillert munter weiter: die exzentrischen Schauspieler Dionyso und Sachmet interpretieren in wallendes Schwarz-Rot gehüllt, mythische Gedichte. Die grausige Nähe zum Schlachthof wird humorig aufgegriffen in Angelikas Leberkäsgedicht oder mit dem Ochsen der, laut Brigitte, freiwillig seinen Schwanz in die kochende Gemüsebrühe steckt – eh, voilà Ochsenschwanzsuppe.

Kann Poesie trösten, wenn ein geliebter Mensch stirbt? Richard hat mit seinem Gedicht diese Frage mitgebracht. Eine Antwort kann es sein, dass auch Marita, deren Vortrag zufällig darauf folgt, sich poetisch mit dem Sterben auseinandersetzt.

Bier trifft Blut – in der „wunden Bar“ von Tania. Osteuropäische Mädchen kauderwelschen mit ihren deutschen Kunden. Poesie geht überallhin, auch über die Schmerzgrenze und übers Reimen hinaus. Der Gedanke an das Elend der Flüchtlinge – Madalina fragt sich, ob sie überhaupt noch zur Poesie berechtigt ist. Europa schließt – ob aus oder auf: in Lothars leichten Wortspielen stecken schwere Wahrheiten drin.

Dann, Elisabeth, eine schmale, ältere Dame stellt in ihrem frei vorgetragenen Gedicht die Alten und die Jungen gegenüber. Doch die letzten beiden Zeilen wollen ihr partout nicht mehr einfallen. So läuft sie treppab, quer durch den Zuschauerraum zu ihrer Handtasche, wo sie den Zettel mit dem Gedicht herauskramt und wieder zurück auf die Bühne: Der Appell zur Harmonie zwischen den Generationen – der hatte noch gefehlt.

Als Moderatorin fühl ich mich an diesem faszinierenden Nachmittag wie Goethes Zauberlehrling. Die Poesie, die ich gerufen’, ist gekommen und entwickelt eine eigene fantastische, überquellende Choreografie. Unfassbar und unbeschreiblich. Liebe Leserin, lieber Leser, wenn du wirklich wissen willst, wie es gewesen ist, so geh hin in die Zenettistr. 2 und lausche dem Treppenhaus. Denn: „Des Schdianghausnotizbuach hod ois sauba notiad.“ So endet Hans’ Stianghaus-Gedicht.

Eure Katharina, Poesiepostbotin

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  • Tausend Dank an Anna Weininger und Nikolaus Schön vom Kulturraum-München e.V., dass wir an „Literatur im Stianghaus" teilnehmen durften.
  • Lieber Egbert Kraus: Merci für die tollen Fotos.
  • Danke an Smart&Nett-Verlag, der uns über unser Buch hinaus unterstützt
  • Liebe Poeten und Zuschauer: Ihr seid Münchens Poesie! Danke!

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Die "Stiangglanda-Poesie" im KulturRaum München gestern, 11. Juni 2016 war wieder ein eindrucksvolles Erleben von Poesie ganz unterschiedlicher Art. ... es war, wie immer, w u n d e r s c h ö n ! Wir alle freuen uns schon auf das nächste Poesietreffen! G. Michaela Hug-Szajer

ich möchte mich einfach für den gelungenen lebendigen Nachmittag zum
Stiagnhaus bei Ihnen bedanken. ... ein Forum zu bieten in einer angenehmen Atmosphäre, mit viel Offenheit, ist wirklich schön. Karin Schreiber

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Medienecho

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