Bevor ihre Neuschöpfung, der erste Poesie-Briefkasten im deutschsprachigen Raum, ihre Werkstatt verlässt, wirft die Künstlerin Katharina Schweissguth noch einen letzten kritischen Blick: Knallorange als Signalfarbe, denn der Kasten soll schon von Weitem sichtbar sein; eine Brieftaube als Symbol für Kommunikation; ein krakelig-schnörkeliger Schriftzug ermutigt die Poeten mit der Hand zu schreiben und mehr Wert auf persönlichen Ausdruck als auf Perfektion zu legen. Denn der Poesie-Briefkasten will die schlafenden Poesiepotenziale wachküssen – so das Konzept der Künstlerin. Den Korpus des Kastens hat sie bei einer Ebay-Kleinanzeige erstanden. Er stammt aus dem Haushalt des legendären ostdeutschen Fotografenpaars Sibylle Bergemann und Arno Fischer. Diese führten in der Nähe von Berlin eine Art Gnadenhof für Tiere. So war der erste Poesiebriefkasten in seinem früheren Leben ein Briefkasten für Tiere: Selbstverständlich hatten die tierliebenden Fotografen für jeden ihrer Schützlinge ein Namensschild aufgeklebt. Laut Frieda, der Tochter des inzwischen verstorbenen Künstlerpaares waren dies: „…eine eigenwillige Kuh, zwei verliebte Enten, zwei Hunde, Volieren voller Vögel... Alle irgendwie gerettet, fast jedes der Tiere hätte eine eigene Geschichte zu erzählen.“ Vielleicht erzählt Frieda diese Geschichten ja irgendwann einmal…