Am Nachmittag ist bereits alles abgeerntet. Renate erzählt, dass sie ein Pärchen beobachtet hat, wie es erst ein Gedicht pflückt und sich dann unter dem Bäumchen küsst. Wie zauberhaft ist das denn? So zauberhaft wie die beiden etwa 8-jährigen Zwillingsschwestern, die beide je ein frisch gepflücktes Gedicht in der Hand halten. Sie gucken fast erschrocken als ich aus der Tür komme. So als wollen sie fragen „Dürfen wir das überhaupt?“ „Jaa!“
Zwei Tage später hänge ich die leeren Klammern ab. Eine Frau kommt vorbei: „Bittschön, lassen S‘ den Baum stehen! Der is doch so schee!“ Sie selber ist zwar für ein Gedicht zu spät gekommen, aber das Bäumchen findet sie trotzdem schön.
„Sie, ham Sie des gmacht mit dem Baum?“ Ein großer Mann steht plötzlich vor mir. „Ich wohn da vorn in der Straße und kenn den Poesiebriefkasten schon lang. Aber de Aktion hat mir bsonders gut gefallen.“ Sehr kräftiger Händedruck: „Ein fetts Merci, dafür!“ Weg ist er.
Als ich fast fertig bin, kommt eine junge Frau angeradelt: „Gibt’s noch ein gedicht?“ Als ich verneine. „Schade. Ausgerechnet heute hätt ich eines gebrauchen können. Wissen Sie, ich hatte einen Scheißtag!“
Fazit: Wir von den Poesieboten werden weiterhin alles tun, um Poesie aus dem Poesiebriefkasten in die Welt zu bringen. Überhaupt glaube ich, dass die Gedichte in solchen Aktionen mehr und aufmerksamere Leser finden als in allen Anthologien zusammen.
Das Poesiebäumchen ist ein Gemeinschaftswerk von Monika Attensperger, Renate Eggenreich, Astrid Sherina Schaper und mir. Danke an alle und an alle Dichtenden, die den Poesiebirefkasten so fleißig füttern.
KAtharina