7.12. Heute geht es richtig los. Hans Senninger kommt, aber nicht allein. Er bringt seine Enkel mit, die sich als richtige kleine Künstler entpuppen, die genau wissen, was sie wollen. „Ich brauche die Gelb, ich brauch die Hellblau.“ Wunderschöne Weihnachtswunschbilder entstehen. Der Hirsch in Richard Mareschs Gedicht – Hans hat es mitgebracht – gebietet Einhalt. “Is noch ned so weit.“ Warten ist also angesagt. Sein Gedicht hat Hans auf Altbairisch verfasst. “Du hos koa Zeit, dass di b’sinnst.“ Damit hat er Nagel auf den Kopf getroffen, aber genau deswegen machen wir ja den Adventskalender. Einfach mal innehalten.
Zum Auftakt am Freitag, den 8.12.2023 kommen zwei Mittelschulklassen, 5 b und x, und eine Grundschulklasse, 3ci, der nahegelegenen Ichoschule. Die Kinder und Jugendlichen haben Weihnachtsgedichte verfasst und sich dabei mit verschiedenen Formen der Lyrik befasst. Es gibt Reime, Limericks, Akrostichons und einfach gute Wünsche. Die Inhalte sind lustig "Mein Sack ist leer, das ist nicht fair." oder auch lieb. Sie haben die Gedichte zu farbenfrohen adventlich geschmückten Collagen verarbeitet, die an den Adventskalender geklebt werden. Und Vertreterinnen und Vertreter der Klassen tragen die Gedichte und Wünsche auch vor. So macht Weihnachten Freude. Schließlich kommt es nicht darauf an – so ein Schüler – was unter dem Baum liegt, sondern, wer darum herum steht. Genau! Ein Vers wünscht gute Noten herbei. Für diese Aktion würde der Poesiebriefkasten eine fette Eins mit Stern an alle Beteiligten verteilen. Tatsächlich gab es von der Nikolausine Astrid “Schokolade oder Gedicht" und viele der Kinder wählten ... ein Gedicht. Ein großes Kompliment für die Lehrerinnen, die die Aktion so grandios vorbereitet und die Kinder wohlbehalten in den Untergrund und zurück gebracht haben. Eine wunderbare Aktion, die durch das Bildungslokal Giesing ermöglicht wurde.
Die Teilnehmenden des „Sprachcafés", ein Projekt des Bildungslokals Giesing tragen sich als Nächste in den Adventskalender ein. Und lesen ihre Weihnachtsgrüße auf Ungarisch, Georgisch, Bulgarisch, Griechisch und Arabisch vor. Sie zeigen, dass unterschiedliche Herkünfte die Gesellschaft wie auch unseren Advetnskalender reicher machen. Als alle weg sind, bleibt ein Passant vor der arabischen Inschrift stehen und schreibt gleich noch etwas auf Aramäisch daneben.
Kurze Zeit danach schenkt uns uns eine Dame CDs ihrer Tochter, der Musikerin Andrea Pancour, die dieses Jahr viel zu früh gestorben ist. Erinnerungen werden wach: Mitten im Lockdown haben die Poesieboten gemeinsam mit dem Ensemble Ogaro, bei dem Andrea mitgespielt hat, am HauseRaus-Fest des Kulturraum München e.V. teilgenommen.
11.12.2023 Ganz nah dran an Leben und Tod ist Thomas Fleckenstein jeden Tag bei seiner Arbeit als Leiter des Friedhofs am Perlacher Forst. Darum handelt sein Gedicht so ganz natürlich von den großen Dingen, die uns soweiso gerade alle beschäftigen. Von Krieg und Schuld und von der der Liebe, die alles gut macht. Die wichtigen großen Wörter sind blau gefärbt und herausgerissen aus den sonst gelben gut lesbaren Zeilen. Mathias Werner sein früherer Kollege hat Thomas Gedicht im fernen Burghausen typografisch gestaltet. Danke dem Dichter, danke dem Gestalter.
12.11.2023 „Schneeflocken“ heißt Madalina Sora-Dragomirs Gedicht, das sie heute in den Adventskalender schreibt. Schneeflocken tanzen, träumen, schlafwandeln und sie sind sehr vergänglich und damit eine glitzernde Metapher für die Liebe. Das Gedicht stimmt fröhlich und traurig zugleich. Dichten ist für Madalina auch ein Mittel, um mit den teils schrecklichen Launen des Schicksals umzugehen. Ups, da hat sie sich verschrieben. Eine Dame (über 90 Jahre alt) hat sie abgelenkt. Eine gute Idee findet diese den Adventkalender. Sie schwärmt noch ein bisschen vom diesjährigen Tannenbaum vor der TeLa-Post – viel besser als der am Marienplatz. Weil der Adventskalender heuer so international ist, schreibt Madalina ausnahmsweise noch ein zweites Gedicht – in ihrer Muttersprache Rumänisch. Es geht um die Zeit. Inzwischen bleiben ein Papa und seine Tochter vor dem Weihnachts-Akrostichron der Klasse 3ci der Ichschule stehen. So ein Zufall: Das Mädchen geht in die Parallelklasse. Was, das haben die Kinder wirklich selber gemacht? Der Papa ist erst ungläubig. Poesie regt nun mal den Geist an. Eine weitere junge Passantin bleibt stehen. Sie will sich auch ein Gedicht einfallen lassen. Ich bin gespannt!
13.12. Heute kommt Chris Uray zum Adventskalender. Chris wie Radio-Chris, denn schließlich moderiert Chris für die Poesieboten seit Jahren eine regelmäßige Sendung auf Radio Lora. Der bereits vielfältig gefüllte Kalender inspiriert. „Heute schreibe ich ein Spontan-Gedicht" , meint Chris und fängt beherzt an zu schreiben. „Hoffnungslichter keimen auf // so ich setz ich hier noch einen drauf..." Wunderbare Stegreif-Poesie mit Humor!
14.12. Ein kleine Ode an die Freude schreibt Claudia Westhagen in den Adventskalender. Dabei strahlt sie so, dass ich mich frage: Macht das Gedicht die Dichterin glücklich oder umgekehrt. Beides ist möglich. „Bleib noch eine Weile ich könnt mich glatt an dich gewöhnen." Diese letzte Zeile, an die Freude gerichtet, wendet sich jetzt an die Passanten im U-Bahnsperrengeschoss.
15.12. Pascal Hilgendorf hat schon viele Gedichte geschrieben, die von seinenm Leben handeln, das nicht immer einfach war. Mittlerweile sind über 1000 Aphorismen dazugekommen – für sich und auch für andere als kleine Leuchttürme im Alltag. Engel müssen keine Flügel besitzen, wir können sie erlauschen, denn sie haben Engelszungen. Dieser schöne Gedanke steckt in seinem heutigen Aphorismus für den Adventskalender. Beflügelnd!
Engel, ganz anders. Johannes Rzepka hat sie kennengelernt. Erst schenken sie Leben und Namen, später werden sie papierleicht, arg- und zahnlos... Ich denke, alle die schon alte Angehörige gepflegt haben wissen, die Eltern werden zu Engeln. Um sein Gedicht in die unterste Reihe zu schreiben ist für Johannes voller Körpereinsatz nötig. Er klebt einen abstrakten Aquarelleengel dazu, fertig ist das Wort-Bildkunstwerk.
17.12. „Das Leben ist schön, wenn man es sein lässt." Eine anonyme Botschaft – zweideutig und klug – steht jetzt auf einem der Fensterl.
19.12. „Advent, Advent, die Mama rennt.." So beginnt Isis Marschalls Gedicht, direkt aus dem Leben gegriffen. Ein bisschen stressig wird es langsam vor allem für Single-Eltern: arbeiten, Weihanchtslisten abhaken und vor allem alles vor den neugierigen Kinderaugen geheim halten.
20.12. Weihnachten ohne Baum, ohne Festmahl - letztes Jahr hatte Astrid Sherina Schaper ausgerechnet am Heiligen Abend Fieber. Doch ihr gedichtetes Resumée: Endlich mal Mut zu Lücken und auch kein Baum zu schmücken. ;-) Weihnachten kann auch so schön sein, vor allem wenn es zu so einem aufmunternden Gedicht führt.
21.12. Chris schreibt heute noch einmal ganz spontan ein Gedicht, inspiriert von Pascals und Johannes Engslgedichten, eine neue Sichtweise auf Engel. Katzengleich kommen sie daher: samtweich und bärenstark!
Bereits zum fünften Mal ...
Es ist der bereits der fünfte poetische Adventskalender, den der Münchner Verein Poesieboten, der von Freunden des Poesiebriefkastens gegründet wurde, in der Giesinger U-Bahnstation veranstaltet.
Ziel der Kunstaktion ist inmitten des vorweihnachtlichen Trubels und der Hektik eines Sperrengeschosses zum Innehalten anzuregen. Zwischen den Dichtenden und Passanten Poeten und Poetinnen oder Einrichtungen, die gern ein Fensterchen füllen wollen können sich per Mail bewerben: info@poesiebriefkasten.de
Wir danken dem Bildungslokal Giesing und dem Bezirksausschuss 17 für die Unterstützung und Kooperation.